Abgründe eines Romantikers

Ein Abend mit Songs und Lesungen von Nick Cave auf Kampnagel

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Einen Song zu schreiben ist wie eine Wassermelone durch ein enges Loch zu zwängen. Einen Roman zu schreiben ist dagegen einfach.” Sagt Nick Cave. Der muss es wissen, denn Songs hat er aberdutzende geschrieben, Romane erst zwei. Weil gerade weltweit “Der Tod des Bunny Munro” erschienen ist, hat Cave sich aufgemacht, um das neue Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren. Nicht in Form einer Lesung wie das “normale” Schriftsteller tun, sondern ausge-schmückt mit Musik. Nicht in einer Buchhandlung oder dem Literaturhaus, sondern auf Kampnagel. Und weil so eine Tour mit ein paar Freunden mehr Spaß macht als allein, begleiten Caves engster Mitstreiter, der Multiinstrumentalist Warren Ellis, und der Bad-Seeds-Bassist Martyn Casey ihn. In Hamburg ist als special guest Caves alter Freund Blixa Bargeld dabei, Sänger der Einstürzenden Neubauten und ein Jahrzehnt lang auch Rhythmusgitarrist von Caves Band, den Black Seeds.

Gelesen wird wenig an diesem Abend. Zwei Passagen trägt Cave vor, für eine weitere kramt Blixa Bargeld seine Lesebrille raus. Lesung bedeutet bei beiden Performance, gerade Cave rhythmisiert seinen Text wie ein Rapper. Genauso zotig wie die Reime vieler Hip-Hop-Artisten sind auch viele Passagen in Caves Roman. Die Hauptfigur Bunny Munro, ein Vertreter für allerlei Hand- und Gesichtscremes, gehört zu der Sorte Mann, dessen gesamtes Denken um die weibliche Vagina kreist. Caves Protagonist und seine Handlungen sind etwas eindimensional, insofern ist es eine gute Entscheidung des in London lebenden Musikers, den zweistündigen Abend mehr mit Songs zu füllen als mit gelesenen Textpassagen.

In den reduziert arrangierten Songs zeigt sich die andere Seite des Nick Cave: Er ist ein Romantiker und ein Prediger, er ist ein gottesfürchtiger Künstler, der durch manches Tal der Tränen gewatet ist, dessen Denken und Schreiben um Tod und Erlösung, um die Bitterkeit der Liebe und grenzenlose Einsankeit kreisen. “Ihr könnt euch Songs wünschen, und wir spielen sie dann”, fordert er seine Fans auf. Wild durcheinander rufend nehmen die Fans auf Kampnagel dieses Angebot an und so mancher Wunsch wird erfüllt, weil einige von Caves größten Hits auf der Setlist stehen. Wie “The Mercy Seat”, der “Ship Song”, “Tupelo” oder der “Weeping Song”, den Cave zusammen mit Blixa Bargeld singt.

Wenn Cave nach dieser Tournee wieder an seinen Schreibtisch zurückkehrt, wird er hoffentlich wieder versuchen, Wassermelonen durch zu kleine Löcher zu pressen. Denn als Songschreiber ist er ein wahrer Meister, “Bunny Munro” darf in die Abteilung Pop-Trash abgelegt werden.

Photos: ©Stefan Malzkorn/Hamburg

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