Zur Theke getragen

SXSW, 3. Tag

Die Witwe is zurück. Courtney Love spielte gestern in der Dirty Dog Bar von Austin ihre Comeback-Show mit Hole. “Ich tue das nur für mich”, sagte sie. Die Grundstimmung auf der Bühne war aggressiv. Courtney schimpfte mit dem Publikum, mit ihrer Band, die angeblich zu laut spielte, sie haderte mit ihrer Stimme und sagte am Ende der 45minütigen Show, es sei das schlechteste Konzert ihrer Karriere gewesen. Was sicher nicht richtig ist.

Die Feinabstimmung ihrer fünfköpfigen Band war noch nicht perfekt, doch die Energie stimme, und auch Courtneys Stimme klang okay. Sie spielte Nummern aus dem Hole-repertoire und coverte “Sympathy From The Devil” und “Bette Davis’ Eyes”, einen Hit von Kim Carnes aus den 70er-Jahren. Am Ende ließ sie sich von den Fans über die Crowd zur Theke der etwas heruntergekommenen Dirty Dog Bar tragen – natürlich im Blitzlichtgewitter von Dutzenden von Kameras.

Im Mai kommt Hole af Europa-Tournee und wird auch ein paar Shows in Deutschland spielen.

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Eine Legende gibt Hinweise

SXSW, 2. Tag

Impressionen vom zweiten Tag beim SXSW-Festival in Austin: Keynote-Speaker war in diesem Jahr die Motown-Legende Smokey Robinson. Der 70-Jährige ist ein launiger Erzähler, der viele Anekdoten aus der Hitsville-Zeit in Detroit ausplauderte, wo er als 16 Jahre alter Junge von Berry Gordy entdeckt wurde. Robinson hatte auch ein paar Ratschläge für junge Künstler parat wie: Lege Dir eine dicke Haut zu oder Nimm Dich nicht zu ernst, Pop-Entertainment hat es vor dir gegeben und wird es nach Dir geben. Die Welt dreht sch auch ohne Dich weiter.

Hamburg, Berlin und Köln luden zum gemeinsamen Barbecue. Essen gut, Location mit Sonnenterrasse, nur die Musik – wie fast überall bei den Showcases – viel zu laut. “Wunderbar” nannte sich das gut frequentierte Event.

Nicht nur viele junge Bands präsentieren sich, sondern auc die alten Recken. Ray Davies z.B. performte in La Zona Rosa. Bei der alten Kinks-Nummer “Victoria” sangen alle mit. Ein Revival seiner Band könnte höchst erfolgreich sein. Immerhin soll er wieder mit seinem Bruder Dave sprechen.

Musikalisches Highlight gestern: The Chapman Family. Allerbester Hardcore mit gewaltiger Lautstärke, Feedback und hingeschmissenen Gitarren. Auf einer Popakademie lernt man so was nicht.

Wieder jede Menge Bands versäumt. Aber das ist ja bei der Masse an Auftritten  jedes Jahr so.  Sollte man nicht weiter drüber nachdenken, sondern das Schedule für den nächsten Tag zusammenzimmern. Morgen ist Hole-Tag.

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Grün dominiert die 6th Street

SXSW, Tag 1

Wenn das SXSW-Festival in Austin beginnt und gleichzeitig noch St. Patrick’s Day gefeiert  wird, ist Ausnahmezustand auf der 6th Street und den umliegenden Straßen.  In den Clubs und auf der Straßen drängten sich so viele Menschen wie sonst nur am Wochenende. Die vorherrschende Farbe war natürlich das irische Grün.

Das Programm hatte es schon am ersten Tag in sich, wobei ich nach einer 20stündigen Anreise aus Hamburg erst am Abend angekommen bin und nur zwei Bands gesehen habe: Mariachi El Bronx spielten im Emo’s Main Room tanzbare Mariachi-Musik mit herrlichen Walzern und fröhlicher Volksmusk von der anderen Seite der Grenze. The Ettes, im vergangenen Jahr bereits beim Reeperbahn Festival zu Gast, rockten das Maggie Mae’s. Am Vortag hatte die um einen Gitarristen zum Quartett erweiterte    Band noch im Ramones-Museum von Berlin gespielt.

Hätte gerne noch den Auftritt von Nas und Damian Marley gesehen, aber die Schlange am Eingang war leider zu lang…

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Böser Junge, plötzlich lammfromm

Bushidos Leben im Kino: “Zeiten ändern dich”

Bushido wird der Film gefallen, den Regisseur Uli Edel und Drehbuchhautor und Produzent Bernd Eichinger  über ihn gedreht haben. Zwar erzählt er in groben Zügen die Lebensgeschichte des 1978 geboren deutschen Hip-Hop-Stars, doch wird in “Zeiten ändern dich” ein geschöntes Bild des höchst umstrittenen Popkünstlers gezeigt. Seinen frauenverachtender Sexismus (”Jeden Tag hatte ich zwei oder vier Frauen”),  seine Schwulenfeindlichkeit, seine Nähe zum Rechtsextremismus spart  der Film – natürlich – aus. Bushido hat sich selber ja in Interviews auch immer davon distanziert. Allerdings nicht von seinen Texten, die von der Bundesprüfstelle als jugendgefährdend eingestuft werden. Zum Vorbild taugt dieser junge Mann nicht.

Eichinger und Edel erzählen von einem niedlichen Jungen mit Migrantenhintergrund, der unter häuslicher Gewalt leidet, der allein mit seiner Mutter aufwächst und den “Erlkönig” im Deutschunterricht rappen kann. Der als Jugendicher sein Geld mit Drogen  verdient, der oft in Schlägereien verwickelt wird, aber letztlich nur sein Eigentum verteidigt, entweder seine Drogen gegen rivalisierende Dealer oder später sein Luxusautos gegen Neider, die ihm die Reifen aufschlitzen. Da greift einer wie Bushido, was im Japanischen “Weg des Kriegers” bedeutet, schon mal zur Selbstjustiz.

Das Leben von Anis Mohamed Youssef Ferchichi, der  vom Boden der Gesellschaft zum gefeierten  Popstar aufsteigt, böte eine Menge  Ansatzpunkt für einen interessanten Film, doch daran ist der sich selbst spielende Rapper und sein Produzent nicht interessiert. Bushido gibt sich lammfromm, “Zeiten ändern dich” scheint einzig gemacht zu sein, um dem bösen Rapper  ein anderes Image zu verpassen und ihn aus der Schmuddelecke der Indizierung herauszuholen. “Respekt” ist der zentrale Begriff, den er wieder und wieder anführt: “Wenn du keinen Respekt hast, dann bist du ein Niemand, ein Opfer”, sagt er. Respekt z.B. für Homosexuelle ist darin jedoch nicht enthalten.

Der Rapper spielt sich selber. Keine gute Entscheidung, denn als Schauspieler taugt er gar nicht. In viele  Sätze legt er so viel Pathos, dass sie dadurch lächerlich klingen. Aber auch die so hochklassige Schauspieler wie Moritz Bleibtreu als ein Art Berliner Pate und Hannelore Elsner als Bushidos Mutter können hier nichts retten,    denn die Dialoge sind holzschnittartig, die Bildsprache erreicht höchstens das Niveau zweitklassiger TV-Seifenopern.

Pressevorführungen zu “Zeiten ändern Dich” gab es erst zwei Tage vor Startbeginn. Angeblich, weil die Postproduktion sch verzögert habe. Kann man glauben, muss man aber nicht. Vermutlich hat Eichinger gesehen, dass er nur 90 Minuten Kinomüll produziert hat. Immerhin wurden eine Reihe von Interviews in der deutsche Presselandschaft lanciert, in denen Bushido sich so handzahm gab wie im Film. Fragen zu “Zeiten ändern dich2 konnten jedoch nicht gestellt werden, weil ja niemand den Film gesehen hat. So wurde der Öffentlichkeit das Bild eines sympathischen Mannes vermittelt, der an Gott glaubt, sich um seine Mutter kümmert und sehr gern ein Vorbild für die Jugend wäre. Der Hip-Hop-Saulus wandelt sich zum Paulus. Wer’s glaubt!

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Drecksarbeit im feinen Zwirn

Jason Reitmans Komödie “Up In The Air”

Ryan Bingham (George Clooney) ist ein moderner Nomade. Die Flugzeuge von American Airlines sind seine Kamele, Oasen zum Ausruhen kennt er allerdings nicht. Dafür ist ein Zeitplan zu eng gesteckt. Bingham ist Experte für Rationalisierung und Firmenverschlankung, Zeit ist da Geld.  Für Chefs, die ihren zum Abschuss freigegebenen Mitarbeitern nicht in die Augen sehen wollen,  macht er die Drecksarbeit.  Mit Charme und Überzeugungskraft redet er den  armen Teufeln, die ihre Arbeit verlieren, ein, dass die Kündigung die  Chance auf einen großartigen Neuanfang ist. “Karriereübergangsberatung” nennt Bingham die Gespräche, das einzelne Schicksal interessiert diesen berufsmäßigen Zyniker nicht. Bingham ist ein Mensch ohne persönliche Bindungen und  ohne ein Zuhause. Das Einzige, was ihn interessiert, sind seine Platin-Kreditkarten und die Vielflieger-Medaille seiner Airline für zehn Millionen Flugkilometer, die bisher nur sechs AA-Gäste erreicht haben.

“Up In The Air” von Regisseur Jason Reitman (”Thank You For Smoking”, “Juno”) wirkt wie ein böser Kommentar zur Wirtschaftskrise, die 2008 die Welt beinahe aus den Angeln hob und später von vielen Unternehmen zur Gesundschrumpfung genutzt wurde. Bingham ist einer dieser Technokraten, die das Ganze aus dem Auge verloren haben und keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, weil sie sich selbst längst verloren haben.

Binghams Gegenüber ist die junge Natalie Keener (Anna Kendrick). Sie bedroht Binghams Job und seinen Vielflieger-Status, indem sie eine effizientere Methode für die Rationalisierer entwickelt hat,  die Bingham an den Schreibtisch fesseln würden. Doch die Harvard-Absolventin scheitert mit ihren ambitionierten Ideen, weil sie – anders als Bingham – noch über ein Wertesystem verfügt. Als eine der Frauen, denen sie gekündigt hat, Selbstmord begeht, schmeißt Natalie ihren Job.

Für die vielen Entlassungsgespräche zwischen Bingham und seinen “Klienten” hat Reitman normale Amerikaner vor die Kamera geholt, die tatsächlich von ihren Firmen entlassen worden sind. Ihre Wut, ihre Verzweiflung und Enttäuschung kommt so authentischer herüber, als Schauspieler das erreichen könnten. Arbeitslosigkeit bekommt in “Up In The Air”  viele echte Gesichter.

In dieser Komödie mit Tiefgang spürt auch Ryan Bingham irgendwann die Leere des modernen Menschen in sich, der nur im Sinne  seines Arbeitgebers funktioniert. Als er seine Vielflieger-Geliebte Alex (Vera Farmiga) in ihrer Wohnung in Chicago überraschen will, erfährt er, dass sie zwei Leben führt – eins im Business wie Bingham mit flüchtigen Begegnungen an Hotelbars und noch ein zweites mit ihrer Familie. Die hat für Bingham kaum noch Bedeutung. Als er zur Hochzeit seiner Schwester fliegt, kommt er sich dort wie ein Fremder vor. Doch wenn man über Jahre keine Verbindungen und sozialen Kontakte aufgebaut hat, bleibt nur das Gefühl von Einsamkeit.

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Eine Liebe in globalen Zeiten

Im Kino: Detlev Bucks Liebesfilm “Same Same But Different”

Detlev Buck  musste bis nach Kambodscha fahren, um sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen: In Asien drehte der Regisseur aus Schleswig-Holstein seinen ersten Liebesfilm. “Same Same But Different” erzählt die wahre Geschichte eines jungen Backpackers aus Hamburg, der 2003 in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh eine  junge Prostituierte kennenlernt, sich in sie verliebt und sie später heiratet, obwohl sie HIV-infiziert ist.

David Kross, den Buck bereits als 15-Jährigen für sein in Berlin-Neukölln spielendes Sozialdrama “Knallhart” entdeckte, und die Thailänderin Apinya Sakuljaroensuk spielen das Liebespaar Ben und Ploy. “Nie zuvor wurde mir so klar bewusst, dass die Bedeutung der Liebe zwischen den Menschen mit der Verantwortung wächst. Nie zuvor wurde mir so deutlich, dass Liebe Arbeit ist”, sagt Buck und zeigt es. Er schafft sehr zärtliche Momente zwischen den beiden Liebenden. Das beginnt bereits mit der ersten Begegnung, in der Ploy in einer Bar ihren Kopf auf die Schulter von Ben legt, eine Geste, in der viel Vertrauen liegt. Vertrauen, dass der angehende Journalist später einlöst. Als er wieder zurück in Deutschland ist, erfährt er von Ploys Erkrankung und fliegt zu ihr, um mit ihr Ärzte aufzusuchen und Medikamente zu besorgen.

Die “long distance romance” zwischen beiden wird noch auf manche Probe gestellt, aber Ben arbeitet an dieser Liebe, weil die Offenheit und die Schönheit Ploys ihn verzaubert. Er begreift, dass diese Frau ihn wirklich liebt und dass sie jede Anstrengung wert ist.

Buck fängt das Problem Aids und den westlichen Sex-Tourismus mit ein, ohne daraus ein Lehrstück zu machen. Er konzentriert sich auf sein Paar und zeigt, wie diese beiden jungen Menschen mit dieser oft tödlichen Krankheit umgehen. Bei der Premiere in Hamburg sagte er: “Ich liebe Kitsch”, doch kitschig ist “Same Same But Different” nicht geworden.  Sehr wirklichkeitsnah  hat er das Milieu in Kambodscha mit den von Autos und Mopeds verstopften Straßen, mit den heruntergekommenen Bars und den zu engen Wohnungen für die großen Familien eingefangen.  Wie das Paradies erscheint eine Reise, die Ben und Ploy mit einem Boot zu Ploys Familie auf dem Land unternehmen.   Gesprochen wird nicht viel in diesem Film, was mit den Sprachbarrieren zwischen der Asiatin und dem Deutschen zu tun hat, aber auch Bucks Faible für Lakonie.  Diese Unaufgeregtheit bekommt diesem sanften Film, der sich wohltuend von den schrillen Liebesgeschichten Hollywoods abhebt.

Same Same But Different D 2009 100 Min., R: Detlev Buck, D: David Kross, Apinya Sakuljaroensuk, Jens Harzer,  Stefan Konarske

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Die Leiden eines ernsthaften Mannes

Im Kino: die Komödie “A Serious Man” von Joel und Ethan Coen

Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) ist zufrieden mit seinem Leben. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden heranwachsenden Kindern  in einem uniform angelegten Vorort irgendwo im Mittleren Westen.  Er  lehrt Physik an der hiesigen Universität und hat großen Spaß an der Herleitung von mathematischen Formeln, die eine ganze Wandtafel füllen und in den Gesichtern seiner Studenten nur Fragezeichen hinterlassen. Doch von einem Tag auf den anderen gerät Gopniks Leben außer Kontrolle: Seine Frau will sich von ihm scheiden lassen, ein koreanischer Student erpresst ihn, an der Uni gehen diffamierende Briefe ein, die seine Beförderung verhindern sollen. “Warum ich?” fleht der bekennende Jude Gopnik zu seinem Gott. Schließlich sucht er Hilfe bei den Rabbis seiner Gemeinde. Doch die erzählen ihm absurde Storys,  statt sich seines Seelenheils anzunehmen.

Larry Gopnik ist “A Serious Man”, so der Titel des neuen Films von Joel und Ethan Coen. Nach dem mit Superstars gespickten “Burn After Reading” verlassen die Coen-Brüder sich in ihrer neuen Komödie ausschließlich auf unbekannte Schauspieler, die jedoch ihre Rollen mit Bravour meistern. Michael Stuhlbarg zum Beispiel war gerade für einen Golden Globe nominiert, musste die Trophäe jedoch Jeff Bridges überlassen.

“A Serious Man” trägt autobiografische Züge, denn auch die Coens (Jahrgang 1954 und 1957) wuchsen in einer jüdischen Gemeinde in einem Vorort von Minneapolis auf. Danny Gopnik (Aaron Wolf), der 13 Jahre alte Sohn von Larry, könnte ein Alter Ego von Joel Coen sein, denn “A Serious Man” spielt im Jahr 1967. Danny ist ein Fan von Jefferson Airplane, er kifft gerne und die Vorbereitung auf die Bar Mitzwa langweilt ihn zutiefst. In Interviews haben die Coen-Brüder immer wieder betont, dass sie diese besondere Atmosphäre innerhalb der jüdischen Gemeinschaft transportieren wollten.  Richtiger scheint jedoch ein anderer Satz zu sein: “Das Witzige für uns an der Geschichte war, immer neue Wege zu finden, wie wir Larry quälen konnten”, sagt Ethan Coen.

Aus dieser Leidensgeschichte resultiert der Witz von “A Serious Man”, denn Larry Gopnik ist unfähig sich zu wehren. Albträume peinigen ihn. Er ist zwar dröge, aber eigentlich ein sympathischer Mensch. Er fordert das Mitleid des Publikums geradezu ein, doch er findet keinen Ausweg aus seinem persönlichen Schlamassel. Gopnik reiht sich in die vielen Verlierer ein, die von den Coen-Brüder kreiert  wurden. Wie in ihren Filmen   üblich, inszenieren sie auch in “A Serious Man” eine ganze Reihe von  Figuren, die alle mehr oder weniger neben der Spur laufen: Besonders der an einer Weltformel arbeitende Onkel Arthur ist “socially awkward”, die Rabbis scheinen in einem Parallel-Universum zu leben, der  rassistische  Nachbar verbreitet schon beim Rasenmähen Angst und Sy Abelman (Fred Melamed), der häßliche und viel ältere Geliebte von Larrys Frau, ist ein Ausbund an Penetranz.

Joel und Ethan Coen sind Meister darin, den Irrsinn des Alltags in ihren Filmen in Geschichten zu übersetzen. “A Serious Man” ist wieder einmal ein gelungenes Beispiel für diese Methode, mit komödiantischen Mitteln hyperreale Wirklichkeiten zu zeigen.  Für Larry Gopnik gibt es daraus kein Entrinnen.  Am Ende des Films ruft ihn sein Arzt an. Der sagt nur einen Satz: “Es ist dringend.” Der Leidensweg dieses “ernsthaften Mannes” geht weiter.

A Serious Man USA 2009, 105 Min., R, B, P: Joel & Ehan Coen, D: Michael Stuhlbarg, Richard Kind, Aaron Wolf

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Mit der Hilfe von ein paar Freunden

Im Kino: Das Kabinett des Doktor Parnassus

Der britische Filmregisseur Terry Gilliam war zuletzt nicht gerade vom Glück verfolgt. Seine aufwändige Don-Quichotte-Verfilmung ist vorerst gescheitert, seine Filme “Brothers Grimm” und “Tideland” waren kommerzielle Flops, mitten in den Dreharbeiten zum “Kabinett des Doktor Parnassus” starb sein Hauptdarsteller Heath Ledger an einer Überdosis von Medikamenten. Doch zumindest im letzteren Fall hatte Gilliam trotz des tragischen  Todes von Ledger Glück. Mit Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell sprangen drei Kinostars für ihren toten Kollegen ein, so dass  “Parnassus” beendet werden konnte und nun in die deutschen Kinos kommt.

“Das Kabinett des Doktor Parnassus” ist ein typischer Terry-Gilliam-Film: bildgewaltig, märchenhaft, labyrinthisch. Parnassus (Christopher Plummer) ist ein Schausteller, der mit seinem altmodischen Wagen durch das London der Gegenwart zieht. In diesem klapprigen Vehikel befindet sich ein Zauberspiegel, mit dessen Hilfe man sich in fantastische Parallelwelten transportieren kann. Doch Parnassus und seine Truppe sind von Geldsorgen geplagt. Außerdem drückt ein immer näher kommender Termin auf das Gemüt des Variete-Künstlers: Vor vielen Jahren hat er mit dem Teufel in Gestalt von Mr. Nick  (Tom Waits) gezockt und die Seele seiner Tochter Valentina (Lily Cole) eingesetzt. An ihrem 16. Geburtstag fällt ihre Seele  an Mr. Nick. In seiner Not versucht Parnassus den Teufel mit Beelzebub auszutreiben: Er wettet noch einmal mit Mister Nick. Wem es binnen drei Tagen als erstem gelingt, fünf Seelen zu gewinnen, dem soll Valentina gehören – ein phantastischer Wettlauf der Seelenfänger nimmt seinen Lauf.

Unerwartete Hilfe wird Parnassus dabei von einem jungen Mann zuteil, der gerade dabei ist, sich das Leben zu nehmen. Doch der Schausteller rettet Tony (Heath Ledger), der sich fortan seiner Truppe anschließt und sich auch noch in Valentina verliebt. Tony entpuppt sich als gewiefter Seelenfänger, doch auch ihn umgibt ein dunkles Geheimnis.

Gilliam und seine Set-Designer schufen bei den Reisen mit dem Zauberspiegel magische und zauberhafte Welten, die der Vorstellungskraft der Reisenden entspringen.  Gedanken werden plötzlich Wirklichkeit, können zur Bedrohung werden oder das Entree in den siebten Himmel sein.  Wer in dieses “Imaginarium” eintaucht, erlebt ein knallbuntes Spektakel   zwischen Spiegelkabinett, Geisterbahn und psychedelischem Trip.  Als Zuschauer ist man überwältigt von dieser Bilderflut und vergisst dabei, das der Plot des Films nicht besonders tief geht. Es bleibt  die alte Geschichte vom Teufel und der armen Seele, hier jedoch mit einem etwas überraschenden und versöhnlichen Ende.

Gilliam zeigt sich in diesem opulenten Märchen  wieder als ein Magier des Kinos. Tom Waits bringt die Faszination für diesen wahnwitzigen Regisseur in einem Satz auf den Punkt: “Terry ist ein Mann, mit dem du in einem Boot sitzen möchtest, wenn die Welt untergeht.”

Das Kabinett des Doktor Parnassus R: Terry Gilliam, D: Christopher Plummer, Heath Ledger, Johnny Depp, Jude Law, Colin Farrell, Lily Cole, Tom Waits. GB/Kanada 2009, 122 Min.

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Straßenmusik aus Puerto Rico

Miguel Zenon: Esta Plena

imagesPlena heißt ein traditioneller afro-karibischer Musikstil, der sich im späten 19. Jahrhundert auf Puerto Rico entwickelt hat. Er verbindet afrikanische Rhythmen mit europäischen Harmonien und war mit seinen Texten so etwas wie das Klatschblatt an der Ecke. Die Songs drehen sich zum Beispiel um das alltägliche Leben mit seinem  Tratsch, aber mit ihnen wurde auch sozialer Protest ausgedrückt. Plena ist  bei Hochzeiten ebenso Teil der Feierlichkeiten wie bei Beerdigungen und dient manchmal sogar als Anfeuerung bei Baseballspielen.  Das wichtigste Instrument ist die Pandero, eine große Handtrommel.

Der Altsaxofonist Miguel Zenon hat sich auf seinem aktuellen Album “Esta Plena”dieser Folklore genommen und eine Verbindung zwischen dieser traditionellen Musik und dem Jazz hergestellt.  Sein Quartett mit dem Pianisten Luis Perdomo, Hans Glawischnig (Bass) und Henry Cole (Schlagzeug) hat er um drei Sänger und Panderotrommler erweitert, um damit puertorikanische Straßenmusik für das 21. Jahrhundert zu kreieren. Für fünf der zehn Nummern hat Zenon Texte geschrieben, die andere Hälfte ist instrumental. Aber auch ein instrumentales Stück wie “Oyelo” klingt mit seinen Improvisationen wie ein wildes Gesprächsdurcheinander auf der Straße, wo der eine dem anderen ins Wort fällt.

Auch wenn Miguel Zenons Musik auf traditioneller Musik seiner Heimat basiert, ist der Jazz mit seinen vielfältigen Improvisationsmöglichkeiten doch das beherrschende Element von Zenons aktueller Platte.  Der seit einigen Jahren in New York lebende Altsaxofonist gehört zu den herausragenden Instrumentalisten auf dem Alt, ebenfalls zur Weltelite muss auch Pianist Luis Perdomo gezählt werden. “Esta Plena” ist übrigens auf dem Label von Branford Marsalis erschienen – da bürgt bereits der Name des Labelchefs für erstklassige Qualität.

Miguel Zenon: Esta Plena (Emercy/Universal Music)

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Vic Chesnutt R.I.P.

Folkrocker starb an Überdosis

Sein Leben war nicht einfach. Im Alter von 18 Jahren krachte Vic Chesnutt unter Alkoholeinfluss mit seinem Wagen an einen Baum. Er überlebte, aber war fortan von der Hüfte an gelähmt. Die Musik rettete ihn und wurde zu seinem wichtigsten Ventil. Am ersten Weihnachtstag endete das Leben dieses außergewöhnlichen Songschreibers im Alter von nur 45 Jahren. Chesnutt hatte eine Überdosis Beruhigungstabletten genommen,  war ins Koma gefallen und später in einem Krankenhaus in Athens/Georgia gestorben.

Als Grund für seinen Suizid vermuten Freunde und Kollegen die horrenden Krankenhausrechnungen in Höhe von 70.000 Dollar, die Chesnutt nicht bezahlen konnte. Ein Krankenhaus hatte ihn auf Zahlung dieser Summe verklagt. Eine Krankenversicherung könne er sich nicht leisten, hatte der Indie-Musiker erst kürzlich in einem Interview gesagt.

Auf der Internet-Seite seines Labels Constellation Records würdigen Kollegen diesen kleinen Mann, der so unter die Haut gehende Lieder schreiben konnte, der einen abgründigen Humor besaß und weiterhin ein großes Faible für verschiedene Rauschmittel.  Michael Stipe, Sänger von R.E.M. und der Entdecker von Chesnutt, erinnert an die außerordentliche Energie und die engelsgleiche Stimme dieses Künstlers, der vor zwanzig Jahren mit Stipes Hilfe sein erstes Album veröffentlicht hat. Patti Smith schreibt:  “1991 bin ich auf der Suche nach Gott nach Athens/Georgia gekommen. Gefunden habe ich Vic Chestnutt. Nachdem ich seine Musik gehört habe, hat sich meine Auffassung über das Songschreiben total verändert. Ich werde ewig in seiner Schuld stehen.”

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