Die Zeichen stehen auf Sturm

Port O’Brien und First Aid Kit im Molotow, Hamburg

In Alaska ist die Fischsaison vorbei. Zu rau ist das Meer, zu kalt das Wetter. Winter bedeutete für Van Pierszalowski Zeit für Musik. Denn im Sommer verdiente der junge Mann sein Geld auf dem Kutter seines Vaters mit Lachsfang. Inzwischen ist für Pierszalowski das ganze Jahr Musiksaison, nachdem er 2005 zusammen mit der Sängerin und Gitarristin Cambria Goodwin die Band Port O’Brien gegründet hat. Doch Alaska begleitet ihn weiter auf der Bühne in Songs wie  “Fisherman’s Son” oder “Stuck On A Boat”.

Pierszalowski hat manchen tosenden Sturm abgewettert, manche Regenflut an Bord über sich ergießen lassen. Die Rauheit des Nordpazifiks mit ihren wildgewordenen Elementen spiegelt sich in der Musik von Port O’Brien wieder, wenn die Gitarren und das Schlagzeug einen elektrischen Sturm entfachen. Das Quintett aus Kalifornien mit den Gastmusikern Tyson Vogel (Schlagzeug, Two Gallants) und Graham LeBron (Gitarre, Rogue Wave) referiert natürlich nicht nur Pierszalowskis persönliche Erfahrungen, sondern auch die Geschichte von lauter und zerstörerischer Rockmusik. Die Grunge-Szene von  Seattle vor 15 Jahren ist ein wesentlicher Bezugspunkt – und manchmal erinnert Port O’Briens Bandleader mit seinen blonden Haaren und dem verwuschelten Seitenscheitel an Kurt Cobain.

Seit Ende September läuft die aktuelle Tournee von Port O’Brien, auf der sie eine Menge neuer Songs ihres zweiten Albums “Threadbare” live präsentieren. Beim Auftritt im Hamburger Molotow ist die erkrankte  Cambria Goodwin  leider nicht dabei, vielleicht ist das Konzert ihrer vier männlichen Kollegen deshalb noch wilder und lauter als normalerweise. “Vielleicht ein wenig”, räumt Van nach der Show ein, “entscheidender ist jedoch, dass wir nicht versuchen, all die Feinheiten von Threadbare live umzusetzen, sondern sehr viel lauter und elektrischer mit den Songs umgehen.”

Das heterogene Publikum feiert die vier Kalifornier für ihren energetischen Auftritt und ist mit Enthusiasmus dabei, als Van Pierszalowski sie auffordert, bei “I Woke Up Today” so laut mitzuschreien, wie es nur geht. Früh ergraute männliche Fans schreien sich bei diesem Molotow-Chor genauso die Kehle aus dem Hals wie die zwanzig Jahre jüngeren Teenie-Mädchen vor der Bühne.

Dass dieser Abend im Molotow zu den besten des Konzertjahres 2009 zählen wird, ist auch zwei jungen Schwedinnen zu verdanken, die vor Port O’Brien  auf der Bühnen in Hamburgs bestem Club standen. Klara und Johanna Söderberg sind Schwestern, stammen aus einem Vorort von Stockholm, nennen sich First Aid Kit und machen moderne Folkmusik. Beide sind exzellente Sängerinnen, was sie im Molotow bei ihrem letzten Song, einem Fleet-Foxes-Cover,  eindrucksvoll beweisen, als sie von der Bühne ins Publikum gehen und dort eines ihrer Lieder  a capella singen. Die Söderbergs haben erstklassige eigene Songs, aber sie forschen auch in der Geschichte der Folkmusik. Buffy Saint-Maries hochaktueller Klassiker “Universal Soldier” geht in ihrer langsamen Version unter die Haut. Wer bei so einem Protestsong jetzt sauertöpfische Weltverbesserinnen vermutet, wird angenehm überrascht. Diese beiden Sängerinnen sind schlagfertig, witzig und äußerst charmant. Bisher haben sie erst eine EP mit dem Titel “Drunken Trees” veröffentlicht, im Januar folgt das Debütalbum  “The Big Black And The Blue”.  Nach diesem wundervollen Konzert darf man sich auf diese Platte von First Aid Kit schon mal freuen.

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