Drecksarbeit im feinen Zwirn

Jason Reitmans Komödie “Up In The Air”

Ryan Bingham (George Clooney) ist ein moderner Nomade. Die Flugzeuge von American Airlines sind seine Kamele, Oasen zum Ausruhen kennt er allerdings nicht. Dafür ist ein Zeitplan zu eng gesteckt. Bingham ist Experte für Rationalisierung und Firmenverschlankung, Zeit ist da Geld.  Für Chefs, die ihren zum Abschuss freigegebenen Mitarbeitern nicht in die Augen sehen wollen,  macht er die Drecksarbeit.  Mit Charme und Überzeugungskraft redet er den  armen Teufeln, die ihre Arbeit verlieren, ein, dass die Kündigung die  Chance auf einen großartigen Neuanfang ist. “Karriereübergangsberatung” nennt Bingham die Gespräche, das einzelne Schicksal interessiert diesen berufsmäßigen Zyniker nicht. Bingham ist ein Mensch ohne persönliche Bindungen und  ohne ein Zuhause. Das Einzige, was ihn interessiert, sind seine Platin-Kreditkarten und die Vielflieger-Medaille seiner Airline für zehn Millionen Flugkilometer, die bisher nur sechs AA-Gäste erreicht haben.

“Up In The Air” von Regisseur Jason Reitman (”Thank You For Smoking”, “Juno”) wirkt wie ein böser Kommentar zur Wirtschaftskrise, die 2008 die Welt beinahe aus den Angeln hob und später von vielen Unternehmen zur Gesundschrumpfung genutzt wurde. Bingham ist einer dieser Technokraten, die das Ganze aus dem Auge verloren haben und keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, weil sie sich selbst längst verloren haben.

Binghams Gegenüber ist die junge Natalie Keener (Anna Kendrick). Sie bedroht Binghams Job und seinen Vielflieger-Status, indem sie eine effizientere Methode für die Rationalisierer entwickelt hat,  die Bingham an den Schreibtisch fesseln würden. Doch die Harvard-Absolventin scheitert mit ihren ambitionierten Ideen, weil sie – anders als Bingham – noch über ein Wertesystem verfügt. Als eine der Frauen, denen sie gekündigt hat, Selbstmord begeht, schmeißt Natalie ihren Job.

Für die vielen Entlassungsgespräche zwischen Bingham und seinen “Klienten” hat Reitman normale Amerikaner vor die Kamera geholt, die tatsächlich von ihren Firmen entlassen worden sind. Ihre Wut, ihre Verzweiflung und Enttäuschung kommt so authentischer herüber, als Schauspieler das erreichen könnten. Arbeitslosigkeit bekommt in “Up In The Air”  viele echte Gesichter.

In dieser Komödie mit Tiefgang spürt auch Ryan Bingham irgendwann die Leere des modernen Menschen in sich, der nur im Sinne  seines Arbeitgebers funktioniert. Als er seine Vielflieger-Geliebte Alex (Vera Farmiga) in ihrer Wohnung in Chicago überraschen will, erfährt er, dass sie zwei Leben führt – eins im Business wie Bingham mit flüchtigen Begegnungen an Hotelbars und noch ein zweites mit ihrer Familie. Die hat für Bingham kaum noch Bedeutung. Als er zur Hochzeit seiner Schwester fliegt, kommt er sich dort wie ein Fremder vor. Doch wenn man über Jahre keine Verbindungen und sozialen Kontakte aufgebaut hat, bleibt nur das Gefühl von Einsamkeit.

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